Bad Kreuznach will „Fair-Trade-Stadt“ werden

 Im Juli 2012 auf der Homepage der Stadt Bad Kreuznach:

Bad Kreuznach will „Fair-Trade-Stadt“ werden

Für einen fairen Handel und gegen Kinderausbeutung will sich die Stadt Bad Kreuznach engagieren. Entsprechende Beschlüsse, sich an einer weltweiten bzw. europaweiten Kampagne zu beteiligen, hat der Stadtrat gefasst.

Der lange Weg zum fairen Handel


Aus „Wir von hier“ vom 10.02.2012

Beilage des Öffentlichen Anzeigers Bad Kreuznach

 

Der lange Weg zum fairen Handel

Schüler vom Gymnasium an der Stadtmauer kamen mit ELAN gut vorbereitet zum Gespräch mit der Oberbürgermeisterin

Bad Kreuznach

Für Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer hatte der Besuch einer Schulklasse im Sitzungssaal des Stadtrates eine symbolische Bedeutung. „In der Kommunalpolitik haben wir einen großen Mangel an jungen Menschen. In unserem Stadtrat sind nur drei Mitglieder unter 40. Engagiert euch und meldet euch zu euren Themen“, begrüßte sie die 15 und 16 Jahre alten Schüler der 10c des Gymnasiums an der Stadtmauer.
Ein Thema, das junge Menschen bewegt, ist der faire Handel. Dieser sorgt dafür, dass Kinder in Ländern der Dritten Welt nicht zur Arbeit gezwungen werden, sondern dort sind, wo sie hingehören: in der Schule, um zu lernen.
Wie steht es in der Stadtverwaltung mit einem „nachhaltigen Beschaffungswesen“? Woher stammen die Produkte, mit denen beispielsweise der Bauhof Straßen ausbessert? Auf ihren Besuch bei der Oberbürgermeisterin hatten sich die Schüler im Unterricht im Rahmen eines Projektes mit dem Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz (ELAN) vorbereitet. Thema war dort auch der Einzelhandel und die Kinderarbeit bei der Produktion von Textilien in der Dritten Welt. Begleitet wurde die Klasse von der Schulleiterin Dr. Annegret Schwarz, Katja Voss und Dominik Gabel (beide ELAN) sowie von Carsten Levsen (Eine-Welt- Laden). In der Stadtverwaltung ist ein Anfang gemacht. Die Oberbürgermeisterin bietet ihren Gästen „fair gehandelten Kaffee“ an, der aus dem Eine- Welt-Laden in Bad Kreuznach bezogen wird. In der Bad Kreuznacher Stadtverwaltung gibt es dezentrales Beschaffungswesen, das heißt, jedes Amt bestellt seine Materialien selbst. Der städtische Bauhof bezieht beispielsweise Steine und Schotter beim regionalen Baustoffhandel oder aus Steinbrüchen der Umgebung. Die Oberbürgermeisterin will sich dafür einsetzen, dass bei Ausschreibungen von Straßenarbeiten oder Neubauten, die beauftragten Firmen auf die Herkunft der Baustoffe zu achten haben. „Wir müssen für den fairen Handel ein Bewusstsein schaffen. Das geht über Aufklärung, und da brauchen wir eure Hilfe“, ermunterte die Oberbürgermeisterin die Schüler, sich auch in der Lokalen Agenda zu engagieren. Denn bis zum Ziel „Stadt des fairen Handels“ ist es noch ein „unglaublich langer Weg“.

Rückblick: Faire Woche 2011


Mehrgenerationenhaus Bad Kreuznach (MGH): Alles über „Fairtrade“

Das Café Kleeblatt stellt auf fair gehandelte Produkte um – nicht nur zur Fairen Woche

Das Mehrgenerationenhaus Bad Kreuznach (MGH) setzt zunehmend auf „Fair Trade“: Das Café Kleeblatt, eine Art Bistro im MGH, soll soweit wie möglich „fair“ werden.

Der Caritasverband Rhein-Hunsrück-Nahe e.V. als Träger des Mehrgenerationenhauses bietet in dessen offenem Treff schon seit längerem beispielsweise Kaffee, Tee oder Snacks vornehmlich aus fairem Handel an.

Zupass kam da jüngst die bundesweite „Faire Woche“ – für das Mehrgenerationenhaus eine Gelegenheit, das Thema in den Fokus zu rücken. Mit mehreren Kooperationspartnern gestaltete man drei Themennachmittage unter dem Motto „Fair ist mehr!“

Im MGH im Bad Kreuznacher Zentrum St. Hildegard beleuchteten sachkundige Referenten – richtige „Insider“ – an drei aufeinanderfolgenden Tagen das Thema aus ihrer Perspektive:

Los ging’s dienstags mit einem Vortrag von Elod Chibowo Kafaukoma. Er ist Landwirtschaftsanalyst und Sekretär der Zuckerkooperative Kasinthula in Malawi, die seit gut zwölf Jahren 282 Kleinbauern mit insgesamt 754 Hektar Land vertritt. Der Referent aus Südostafrika erläuterte aus erster Hand die Vorteile gerechter Handelsbedingungen.

Fairtrade als Handelspartner nimmt eine festgelegte Menge an Rohrzucker ab. Für Mehrlieferung gibt es Prämien, die vor Ort in Projekte wie Brunnenbohrung, Strom- und Wasserversorgung oder in die Erweiterung des Krankenhauses fließen, aber auch Computer für drei Schulen oder Stipendien ermöglichen.

Am Mittwoch informierte im Mehrgenerationenhaus der örtliche Weltladen. Die gezeigten Dokumentarfilme beschrieben nicht nur den Produktionsweg beispielhaft ausgewählter Güter. Sie betonten auch, nach welchen Prinzipien fairer Handel etwa mit Tee, Kakao oder Rosen funktioniert: Er ist demokratisch, emanzipiert und sozial. Und zugunsten von Schulpflicht und Bildung lehnt er Kinderarbeit ausdrücklich ab. Für Fragen und Gespräche standen Ilse Rapp und Carsten Levsen vom Weltladen Bad Kreuznach zur Verfügung.

Der Donnerstag gehörte Manfred Thesing. Der Vorsitzende des Katholikenrats im Bistum Trier sprach über den Zusammenhang zwischen fairem Handel und sozialem Handeln. „Fair einkaufen oder spenden?“, lautet seine Leitfrage. Es sei „beschämend, dass jemand von seiner Hände Arbeit nicht leben kann“, so Thesing. „Allen Menschen soll ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden!“, lautet sein Plädoyer. Der Kauf fair gehandelter Dinge leiste dazu einen maßgeblichen Beitrag.

Details gibt’s bei Irmgard Staab und Andreas Esch (Caritas-Geschäftsstelle Bad Kreuznach) unter Tel. 0671/838280.


Impressionen vom Weltladentag 2011

Aufforderung zur Agrarwende: „Öko und Fair ernährt mehr“


Politiker des Stadtrates und den Fraktionen starteten mit einem fairen, regionalen und vitalen Frühstück im Weltladen & RegioMarkt. Hier u.a. Heike Kaster-Meurer, Carsten Pörksen, Michael Henke, Gregor Sickel:

Einstimmung mit Hintergrundinformationen von Herrn Levsen vom Weltladen zum konsumkritischen Stadtrundgang mit den Schwerpunkten Textilien, Kakao und Kaffee:

Pressestimmen:

Allgemeine Zeitung Bad Kreuznach

Wissen, was in die Tüte kommt

24.05.2011 – BAD KREUZNACH

Von Beate Vogt-Gladigau

FAIRER HANDEL Konsumkritischer Stadtrundgang sollen Verbrauchern Zusammenhänge bewusst machen

Globaler Handel bedeutet auch: Produziert wird, wo es am billigsten ist. Unter dieser Taktik darben aber Menschen, die unter unwürdigen Arbeitsbedingungen die Profitmaximierung von Konzernen mit Ausbeutung und Gesundheit bezahlen.

Am Tag des Weltladens holten Ilse Rapp und Ute Ackermann vom Vorstand des Bad Kreuznacher Weltladens mit der Aktion „Konsumkritischer Stadtrundgang“ Politiker mit ins Boot, um durch Themenschwerpunkte an mehreren Stationen auf Ausbeutung und Gesundheitsgefährdung aufmerksam zu machen. Bei dieser Premiere, die als „Entdeckungsreise“ den Zusammenhang zwischen Globalisierung und nachhaltigem Konsum aufzeigte, lauschten aber auch Passanten den Ausführungen.

Konsumenten tragen Verantwortung

„Wir tragen Verantwortung. So, wie wir einkaufen beeinflussen wir das Leben von Menschen in anderen Ländern“, betonte Karsten Levsen, Mitarbeiter des Weltladens, die Vernetzung von ökologischen und sozialen Missständen in Entwicklungs- und Kaufverhalten in den Industrieländern. Durch Druck des Konsumenten kann das Angebot im Interesse einer fairen und gerechten Welt positiv beeinflusst werden. Natürlich waren die Stationen Kleidung, Kaffee, Kakao und Schokolade – beispielhaft – an bestimmte Geschäfte in der City gekoppelt, aber Aufklärung stand im Vordergrund, nicht Diffamierung. Deutlich wurde auch die Abgrenzung der verschiedenen Siegel. Die Auszeichnung Bio-Ware bezieht sich auf den Anbau und die Produktion ohne Pestizide, während das Label „Fair Trade“ den Handelskontakt mit Arbeitern und Kleinbauern beschreibt, die durch einen gerechten Lohn eine Existenzgrundlage erhalten und nicht an den sozialen Rand gedrängt werden.

Start und Ziel der Exkursion war der Weltladen in der Hans-Schumm-Straße, dessen Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt und zu fairen Preisen gehandelt werden. Den Part der Bekleidung hatte eindrucksvoll Karsten Levsen übernommen, der den Anbau von Baumwolle in subtropischen Ländern unter Einsatz von extrem viel Pestiziden schilderte. In Indien wird die Hälfte dieser toxischen Spritzmittel auf Baumwollplantagen eingesetzt, die aber nur fünf Prozent der gesamten Ackerfläche umfassen.

Kinder durch Pestizide gefährdet

450 000 Kinder, die besonders gefährdet sind, arbeiten auf diesen Plantagen. Levsen wünscht sich, dass Bio-Ware von großen Unternehmen verstärkt angeboten wird. Es gebe sie, aber man müsse erst gezielt nach kontrolliert gehandelten Produkten mit Gütesiegel fragen, kritisierte Levsen. Immens ist auch die Bewässerung von Baumwollpflanzen: Für eine Jeans werden 40 000 Liter Wasser benötigt. Levsen „schneiderte“ auch fiktiv eine Jeans „nach Maß“ – von der Baumwollkapsel bis zur kaufreifen Ware. Bei dieser globalen „Entwicklungsreise“ zu den jeweils preisgünstigsten Produktionsstätten zum Färben, Weben, für Zuschnitt Konfektionierung und Sandbestrahlung schafft es die Hose auf 40 000 Kilometer. Schuld an dieser Prozedur seien auch die niedrigen Transportkosten. Der Kreislauf geht noch weiter: Die einstige Lieblings-Jeans landet, wenn sie ausgedient hat – eventuell in Afrika.

Auch die Informationen von Ilse Rapp über den Anbau von Kaffee deckten sich mit menschenverachtenden Arbeitsbedingungen wie bei der Baumwolle: Pestizideinsatz ohne Schutzkleidung, geringem Lohn und mühsamer Ernte mit der Hand, da die Bohne nicht maschinell gepflückt werden kann. Geschätzt wird, dass rund 125 Millionen Kleinbauern und Arbeiter vom Kaffeeanbau abhängig sind.

Kaffe und Schokolade selten sind fair gehandelt

Deutschland zählt zu den größten Abnehmern von Importkaffee, jeder Deutsche trinkt durchschnittlich vier Tassen pro Tag (in der Rankingliste noch vor Bier!). Das entspricht 6,7 Kilo pro Jahr. Rapp fordert, dass vor allem große Röstereien fair gehandelten Kaffee ins Sortiment nehmen.

Nur zwei Prozent fair gehandelte Schokolade steht in Deutschlands Regalen, betonte Sophie Haasis. 9,5 Kilogramm schnabuliert aber jeder Deutsche im Jahr. Die weltweit größte Kakaoproduzentin ist die Elfenbeinküste. Dort schuften 600.000 Minderjährige auf den Plantagen, 12.000 sind Sklaven aus den Nachbarstaaten Mali, Togo und Burkina Faso. Seit zehn Jahren gibt es zwar die International Cocoa Initiative von großen Markenfirmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Abschaffung der Kinderarbeit – bislang mit geringem Erfolg. Hinzu kommt: Nur wenige Konzerne teilen sich den Markt und haben daher auch enormen Einfluss auf Branche und Preise.

Zu einem „Konsumkritischen Stadtrundgang“ hatte Ilse Rapp (vorne recht) vom Vorstand des Weltladens/RegioMarkts am „Tag des Weltladens“ eingeladen. Eine der Stationen hatte auch die LiHi-Schülerin Sophie Haasis (vorne links) übernommen und sprach über fair gehandelten Kakao. Fotos: bev

Zu einem „Konsumkritischen Stadtrundgang“ hatte Ilse Rapp vom Vorstand des Weltladens/RegioMarkts am „Tag des Weltladens“ eingeladen. Eine der Stationen hatte auch die LiHi-Schülerin Sophie Haasis (vorne links) übernommen und sprach über fair gehandelten Kakao. Fotos: bev

ANGEBOT DER WELTLÄDEN

Sophie Haasis hatte mit Freunden das Seminar „Weltbewusster Stadtrundgang“ in Worms besucht. Angeboten wurde es vom Dachverband der Weltläden. Die Schülerin der 12. Klassenstufe des Lina-Hilger-Gymnasiums erfuhr dort ebenso wie Jule Lagoda, wie „Konsumkritische Rundgänge“ effektiv anzubieten sind.

Je nach Altersgruppe und Interesse können auch die Themenschwerpunkte Papier, Fleisch, Fisch, Banken oder Blumen kritisch betrachtet werden. Haasis und Lagoda möchten in Zukunft als junge Menschen für junge Menschen, unter anderem auch für jüngere Lehrer, solche Stadtrundgänge ausrichten. Sie könnten außerdem Teil von Projekten für Religions-, Ethik- oder Sozialkundeunterricht sein.